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Regionalgeld - Die kleinen Brüder des Euro

Kurzreferat von Theo Abenstein, Referent für Unternehmens- und Wirtschaftsförderung, Innenstadtbelebung der Stadt Pfaffenhofen.

Gehalten im Foyer des CineradoPlex in Pfaffenhofen am 25.02.2007 als  Beitrag zur Vernissage der HALLERTAUER-Gutschein-Serie 2007.

 

Sie heißen Hafensilber, Rheingold, Urstromtaler oder Chiemgauer, Kirschblüte oder eben Hallertauer.

Landauf, landab rufen Initiativen neue Zahlungsmittel ins Leben, die - regional begrenzt - den Euro ergänzen. Das Regionalgeld soll die Wirtschaft vor Ort stärken und den Geldfluss am Laufen halten.

Die Idee mutet eigentlich seltsam an: Gerade in Zeiten der Globalisierung und der europäischen Gemeinschaftswährung erfinden lokale Initiatoren ein alternatives Zahlungsmittel und besinnen sich auf ihre Region. Das Problem ist, dass die regionalen Kreisläufe immer stärker unter der Globalisierung leiden. Früher waren neunzig Prozent regional, heute sind es vielleicht noch zehn Prozent.

Heute akzeptieren bereits Tausende von Anbietern in Deutschland ein regionales Zahlungsmittel, je zur Hälfte Geschäfte und Dienstleister - vom Lebensmittelgeschäft über den Optiker und den Steuerberater bis hin zu Hotels und Restaurants. So bleibt mehr Geld in der Region und die lokale Wirtschaft wird im Wettbewerb mit den Discountern auf der grünen Wiese gestärkt.

 

Insgesamt gibt es rund 50 Initiativen in Deutschland. Das Regionalgeld ist keine Konkurrenz zum Euro, sondern eher eine sinnvolle Ergänzung.

Das Regionalgeld ist streng genommen nichts anderes als ein Gutscheinsystem, auf das sich die Teilnehmer innerhalb eines Verbunds - Dienstleister, Geschäfte und Kunden - geeinigt haben. Sie verständigen sich darauf, die Gutscheine regional begrenzt als Zahlungsmittel für bestimmte Waren zu akzeptieren.

Das Motto lautet "Taler, Taler, du musst wandern"

Noch in einem anderen Punkt unterscheidet sich der Euro maßgeblich von seinen kleinen Brüdern: Der Großteil der Euro-Geldmenge befindet sich gar nicht im Umlauf, sondern existiert nur als Buchungsmasse oder lagert zwecks Zinsbildung auf Konten und Ähnlichem. Das Regionalgeld hingegen kennt keinen Zins, im Gegenteil: Es altert, es verliert mit der Zeit an Wert. Das Ziel des Wertverfalls: Das Geld soll als Tauschmittel im Umlauf bleiben, möglichst oft den Besitzer wechseln und so für viel Umsatz sorgen. "Taler, Taler, du musst wandern" - dieses Volkslied aus dem 18. Jahrhundert kann als Leitmotto der Regionalwährungen gelten.

 

Soziale Projekte profitieren vom Regionalgeld, denn drei Prozent gehen an soziale Projekte, inzwischen beim HallertaueR bereits 1250 Euro/Hallertauer.

 

Je mehr die Auswirkungen der Globalisierung auf das Leben zunehmen, desto mehr Bedeutung erlangt für die Menschen die Verwurzelung in der Region, in der Heimat. Der Mensch braucht einen überschaubaren Lebensraum, mit dem er sich identifizieren kann, der seinen Werten und Lebensvorstellungen entspricht.

 

Angesichts des Tempos, in dem sich unsere Welt wandelt, angesichts der Zersplitterung der Gesellschaft und der Globalisierung, spüren die Menschen immer stärker, dass sie Verwurzelung, dass sie ganz konkret Heimat brauchen. Der Philosoph Karl Jaspers hat Heimat einmal so definiert:

„Heimat ist dort, wo ich verstehe und verstanden werde."

Das heißt doch: Ich muss mich aufgehoben fühlen in der Musik, in der Sprache, in der Kultur und in der Geschichte meiner Region. In der Heimat fühle ich mich nicht allein deswegen wohl, weil ich da mein Brot verdiene, sondern weil ich die Menschen mit ihren Eigenheiten, mit ihren Traditionen, mit ihren religiösen Einstellungen begreife.

Dieses Verstehen gibt Vertrautheit, und Vertrautheit schafft Geborgenheit. Das gibt dem Menschen Identität und Unverwechselbarkeit - dies entspricht auch unserem christlichen Menschenbild. Alles andere macht ihn anonym, beliebig und austauschbar.

Unsere Aufgabe besteht darin, dass wir bei aller Globalisierung unsere spezifische bayerische Kultur und Tradition, unser Brauchtum und unsere regionalen Besonderheiten bewahren. Dabei sind der Einsatz für Traditionen und der Einsatz für technologischen Fortschritt keine Gegensätze. Beides zusammen gehört

zu einem auf feste Wertvorstellungen gebauten Leben und auch zu einer nachhaltigen, zukunftsorientierten, aber stets verantwortungsvollen Politik.

Mit unserer Stadtpolitik leisten wir u. a. einen wichtigen Beitrag, um den Menschen Lebensqualität sowie eine lebens- und liebenswerte Heimat zu schaffen und zu erhalten.

 

Der ländliche Raum ist ein überschaubarer Lebensraum mit vielfältigen Vorzügen. Er bietet u. a.:

·      Nachbarschaft und ein intaktes soziales Leben anstelle von Anonymität;

·      Wohnraum und -eigentum zu erschwinglichen Preisen;

·      Nähe zwischen Wohnort und Arbeitsplatz;

·      Möglichkeiten, an der Gestaltung der Heimat mitzuwirken;

·      kommunale Infrastruktur und Freizeitangebote;

·      Naturnähe und Bezug zur Landschaft und zur Lebensmittelproduktion;

·      Freizeit- und Erholungsraum für Einheimische, Städter und Besucher.

 

Warum wir eine regionale Wirtschaftsweise brauchen.

Der heutige Zeitgeist vermittelt den Eindruck, alle Fragen der Grundversorgung der Bevölkerung seien geklärt. Es wird suggeriert, wirtschaftliches Bestehen auf dem globalen Markt sei die einzige Fragestellung, auf die es in der Wirtschaft ankomme. Dass dieser Ansatz zu kurz greift, zeigen globale Entwicklungen, die in besonderem Maße die Energieversorgung betreffen. Beispielhaft sei auf die Bestrebungen Europas, Zugriff auf das russische Erdgas zu erhalten, verwiesen.

Eine einseitige Orientierung am globalen Markt birgt die Gefahr, dass die Grundversorgung der Bevölkerung aus dem Blick gerät. Die Konzentration auf weit entfernte Märkte schafft Abhängigkeiten: Was passiert, wenn die Exportmärkte einbrechen? Sei es, weil sie gesättigt sind oder aufgrund gesellschaftlicher Instabilitäten. Ein einbrechender Absatzmarkt lässt die Einnahmen einbrechen. Dies ist weniger problematisch, wenn die heimische Grundversorgung gesichert ist. Doch was passiert, wenn die Exporteinnahmen notwendig sind, um mit ihnen Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas oder gar Nahrungsmittel von weit her einzukaufen, weil die heimische Wirtschaft keine Alternativen dazu bietet?

Das Hauptproblem einer einseitigen Globalisierung der Wirtschaft besteht  also in der Schaffung von Abhängigkeiten. Diese Abhängigkeiten können in Extremfällen zu einer Versorgungslücke und gesellschaftlichen Verwerfungen führen, die dem Wunsch nach Stabilität entgegenstehen.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ein rein auf den Weltmarkt orientiertes Wirtschaftssystem die Bedürfnisse der heimischen Bevölkerung aus den Augen verliert. Wie können Arbeitsplätze entstehen, wenn die globale Konkurrenzsituation eine ständige Rationalisierung im Produktionsprozess erzwingt?


Und eine mindestens ebenso wichtige Frage lautet: Wo bleibt bei dieser Entwicklung der Mensch?

Der Mensch lebt nicht global: In globalen Maßstäben gemessen verbringt er den Großteil seiner Lebenszeit an demselben Ort. An diesem Ort lebt er, arbeitet er und entwickelt sich und seine Umgebung.

Eine Wirtschaft, die dieser Tatsache Rechnung trägt, würde sich kleinräumiger organisieren und sich am menschlichen Maß messen.

Regionales Wirtschaften würde sich ergänzend zur globalen Wirtschaftsweise verstehen und entsprechend andere Schwerpunkte setzen:
Zielsetzung einer regionalen Wirtschaftsweise ist es nicht, im globalen Wettbewerb (beispielsweise mit Exportgütern) konkurrieren zu können. Zielsetzung einer regionalen Wirtschaftsweise ist es, eine optimale Versorgung der Bevölkerung zu erreichen und es den Menschen zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.

Regionales Wirtschaften muss als Ergänzung zur globalen Wirtschaftsweise verstanden werden. Den Problemen einer rein globalen Orientierung – Abhängigkeit und die Gefahr von Instabilität – setzt sie die Förderung wirtschaftlicher Unabhängigkeit und regionaler Selbstversorgung entgegen, sowie eine Orientierung des dezentralen wirtschaftlichen Strukturaufbaus an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung. Eine regional orientierte Wirtschaftsweise hat bemerkenswerte Eigenschaften:

  • die Produktion rückt näher an den Endverbraucher, was den Produktionsprozess für die Verbraucher transparenter macht und die Berücksichtigung von Menschenrechten und umweltschonenden Verfahren fördert
  • Wohnen, Arbeiten und Leben (Kultur, Bildung) rücken näher zueinander; Arbeits- und Transportwege verkürzen sich, der dafür nötige Zeitaufwand wird kleiner, umweltschädigende Emissionen werden eingespart
  • die Abhängigkeit von überregionalen und globalen Entwicklungen wird verringert, der globale Konkurrenzdruck lässt nach

die lokalen Ressourcen werden bevorzugt; ihre intensivere Nutzung bezieht brachliegende Kapazitäten ein: die Auslastung regionaler Unternehmen steigt, Arbeitssuchende werden in den Strukturaufbau einbezogen und finden durch ihren Beitrag zur regionalen Wirtschaft Lebens-Sinn

Ideal aufgestellt ist eine Region, wenn sie

  • die Grundversorgung der Bevölkerung aus sich selbst heraus erbringen kann (Nahrung, Wohnen, Bildung, Kultur, Gesundheitsversorgung, Regionaltransport, regionale Kommunikation)

und darüber hinaus Spezialgüter/Spezialdienstleistungen auf dem globalen Markt anbieten kann, um die Erlöse zum Einkauf fremder Güter und Leistungen zu verwenden

 

Regionalwährungen/Regionalgeld

Regionalwährungen als Marketinginstrument

Abseits von geldtheoretischen und volkswirtschaftlichen Betrachtungsweisen ist es sinnvoll, Regionalwährungen unter dem Aspekt des Marketings zu beleuchten.

Kundenbindung

Die regionale Begrenztheit einer Regionalwährung bindet diese an ihre Heimatregion. Die in einer Regionalwährung gebundene Kaufkraft kann nicht aus der Region abfließen. Kunden, die über Regionalwährung verfügen, können mit dieser nur innerhalb der Region einkaufen.

Während Euro-Kaufkraft jederzeit die Region verlassen kann, ist dies für Hallertauer-Kaufkraft nicht möglich. Vergleichbar ist dieser Effekt mit Gutscheinen: Viele Unternehmen nutzen Gutscheine, welche an Kunden verkauft oder verschenkt werden, als Werbemittel. Da diese Gutscheine nur bei dem Unternehmen wieder einlösbar sind, kann das Unternehmen sicher sein, dass die in den Gutscheinen gebundene Kaufkraft zu eigenem Umsatz wird.

Regionalwährungen sind aus diesem Blickwinkel ein Gutschein, der nicht nur von einem einzelnen Unternehmen, sondern von einer (regionalen) Kooperation von Unternehmen genutzt wird. Die in der Regionalwährung gebundene Kaufkraft kann somit nur jenen Unternehmen zufließen, die die Regionalwährung als Zahlungsmittel akzeptieren. Nur bei diesen Unternehmen können Kunden die Regionalwährung einsetzen – und werden somit an die kooperierenden Unternehmen gebunden.

Gegenüber "herkömmlichen Gutscheinen" erweitert eine Regionalwährung auch dem Kunden das Einsatzfeld: Während ein Unternehmens-Gutschein nur bei einem einzelnen Unternehmen einlösbar ist, kann eine Regionalwährung bei einer Vielzahl von Unternehmen eingelöst werden. Dieser Aspekt nutzt letztlich auch dem Kunden: Da jeder Kunde als Wirtschaftsteilnehmer (Prosument) darauf angewiesen ist, Einnahmen zu erzielen, nützt die regionale Gebundenheit der Kaufkraft auch ihm.

Werbeträger

Wird eine regionale Währung in Form von Papier-Scheinen etabliert, so bietet dies Werbemöglichkeiten, wie sie bislang kein anderes Medium kennt. Während die Vorderseite eines Regionalwährungsscheines alle Informationen über das Zahlungsmittel als solches trägt (Wertigkeit, Bezeichnung, Sicherheitsmerkmale), kann die Rückseite des Scheines zu Werbezwecken genutzt werden. Für den Betreiber des Regionalwährungssystems bietet sich hier eine Finanzierungsmöglichkeit, für die Unternehmer bietet sich eine Werbefläche mit folgenden Vorteilen:

Regionalwährungsscheine werden nur innerhalb einer Region benutzt, erreichen also eine regional spezifische Zielgruppe

da sie für ihren Besitzer einen Kauf-Wert darstellen, werden Regionalwährungsscheine im Vergleich zu anderen Werbeträgern garantiert nicht weggeworfen

die Werbung wird über die Zahlungsmittelfunktionalität von Nutzer zu Nutzer weitergereicht, die Zielgruppe verbreitet den Reklameträger also aus eigenem Antrieb, was näher an Mund-zu-Mund-Propaganda ist, als die meisten anderen gewerblich nutzbaren Werbeformen

werbende Unternehmer erreichen eine Zielgruppe, die garantiert über Kaufkraft verfügt: Sie hält diese Kaufkraft in Form des Regionalwährungsscheines in Händen, wenn der Schein (und damit die Werbung) sie erreicht

 

Da eine Regionalwährung die regionale Wirtschaft stützt, ist sie ein interessanter Imageträger für regional verankerte Unternehmen. Diese können mit der Werbung auf der Rückseite des regionalen Zahlungsmittels signalisieren: "Wir setzen uns für unsere Region ein."

Abseits von gewerblichen Anzeigen ist es möglich, die Regionalwährungsgutscheine beispielsweise mit Veranstaltungshinweisen oder Arbeiten regionaler Künstler zu versehen, wie dies nun auch beim Hallertauer getan wird.

Eine regionale Währung hilft, die Identität von Bevölkerung und Wirtschaft mit dem eigenen Lebens- und Wirtschaftsraum zu steigern. Die Namensgebung der Regionalwährung als auch ihre Nutzung als Werbeträger hilft, die regionale Identität zu stärken (oder sie überhaupt erst zu schaffen), das regionale Selbstbewusstsein durch Bewusstmachung der regionalen Vorzüge und Leistungsfähigkeit zu stärken als auch das regionale Potential zu verdeutlichen. In diesem Sinne wirken Regionalwährungen identitätsstiftend und stärken damit unter Umständen den sozialen Zusammenhalt der Bevölkerung in der jeweiligen Region.

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